Katharina Kammerloher
Cécile Chaminade (1857-1944)
Lieder
„Jahreszeiten der Liebe“
1 Liebesklagen
Die Liebe, die Liebe, Gottes gesegnete Blume, zu Zeiten blüht sie,
der Rose gleich, auf;
Schicksalsmeteor,
strahlt sie, strahlt mit dem Morgen
und schließt sich, erlöschend, zur Nacht.
Die Liebe, die Liebe, silbern leuchtender Strahl, der Sonne Jahreszeit ist sie,
doch launisch und wechselhaft,
ein Lächeln am Anfang,
endet sie tränenreich doch.
(Pierre Reyniel)
2 April erwacht
Der Frühling taut mit einem Kuss des Vortags Raureifpuder weg, berauschen will er uns ...
April erwacht!
Ein klarer Luftzug zieht
über die Waldbäume dahin,
die Sonne strömt durchs Blau ... April erglüht!
Die Blumen blühen auf den Wiesen. Süßer Geruch steigt in die Luft, strömt aus goldnen Blütenkelchen ... April, göttlicher Duft!
Auf den Pfaden unterm Astwerk, ziehen langsam Schritt um Schritt die Verliebten, leise murmelnd. Und April, er murmelt mit!
Dann, Lippe an Lippe,
in ihren Herzen drin
vernehmen sie die Stimme, die beglückt,
die Stimme ihrer zwanzig Jahre jungen Spötter ... April entzückt!
(Robert Myriel)
3 Zerbrechlichkeit
Über die Wiese hin, gänzlich blühend und grün, rollte stetig die Welle,
und die grüne Dame Libelle
ließ durch die Flügel
ihre Geliebten, die Ufer, erblühn.
Am Vortag erwacht, klagte die rote Rose
dem Nordwind einmal:
„Deiner rauen Stimme zum Trotz, hoffte ich lange Zeit noch
zu regieren im Tal.
Alles verneigt sich vor mir, meine göttliche Pracht
soll länger währen als einen Tag, bin ich doch überall
des höchsten Zaubers Bild,
der Liebe genannten Macht!"
Lachend über diese Torheit
der Blume, dieser Schönen,
flog der Abendwind heran
und zauste das Blütenreich,
das, einer frivolen Hoffnung gleich, bald in den Fluten versank.
Über die Wiese hin,
gänzlich blühend und grün, rollte stetig die Welle,
und die grüne Dame Libelle
ließ durch die Flügel
ihre Geliebten, die Ufer erblühn.
(L. Hameau)
4 Serenade
Die Nacht ist heiter und süß, die Luft mit Duft erfüllt,
der Mond glänzt auf dem Moos, das Laute ist jetzt still.
Auf der Erd', wo alles träumt
nach des Tags Getriebe,
regt sich nichts mehr, alles schläft, außer meiner Liebe!
Das Gras ersehnt den Tau
in der Morgenröte,
Blumen im Schattenverhau wenden sich nach der Sonne.
So stirbt meine traurige Seele, ist sie fern von dir
und deiner Anmut, Geliebte, Komm, oh komm zu mir!
(Edouard Guinand)
5 Abwesenheit
Sieh den Wind die Wolke jagen,
Sieh den Vogel durch die Lüfte fliegen, Sieh den Stern mit langen Haaren
auf unbekannten Weg einbiegen,
Sieh den Blitz über den Himmel fahren.
Und doch, geschwind
ob Flügel oder Strahl -
sehn meine Augen, Verlobte mein, dich nicht mehr, fliegt mein Liebessinn geschwinder noch als sie,
geschwinder zu dir hin!
Sieh das Kind jeden Moment dem Schritt der Mutter folgen; sieh die Mauer dort aus Stein, vom schönen Efeu stets
mit tausend Armen umfangen.
Und doch, wie verbunden auch
das Ding dem Schatten ist -
sehn meine Augen, Verlobte mein,
dich nicht mehr, schließt mein Liebessinn dich fester noch in mich,
noch fester in mich ein!
(Edouard Guinand)
6 Sevilla-Serenade
An den Ufern des Guadalquivir zerbrach eines Tags die Seele mir, ich war sterbensbereit,
aber da erschient ihr
an den Ufern des Guadalquivir!
An den Ufern des Guadalquivir kam mein Frieden dem Herzen nah, das Leiden hörte auf in mir
in dem Moment, als ich euch sah am Ufern des Guadalquivir!
Ich bin zurück am Guadalquivir
und seitdem mit euch bekannt,
sollte ich fort müssen von hier, schulde ich meine Haut dem Fluss. Ich kehre zurück in den Guadalquivir!
(Edouard Guinand)
7 Die Schönste
Unter der Sonne, frisch und rosig,
im Duft ihrer achtzehn Jahre
geht sie im Tau
durch den lodernden Mohn,
während ringsum, verrückt und entzückt die Amseln scherzen und schlagen... Die Schönste,
die Schönste pflückt Blumen.
Mit jungfräulicher Hand
und unschuldig-boshaftem Freudenschmerz bricht sie von jedem erbebenden Pflanzenkind den Kelch, das weit offene Blütenherz,
wo im Morgendämmer die Schwermut Tränenperlen streut ...
Die Schönste,
die Schönste
pflückt Blumen.
Der reizende Garten feiert sie, deren Bild mir vor Augen blieb; aus der Fülle am Erinnerungstor tritt wunderbar in Pastell
der Brünetten Antlitz hervor,
gerahmt von Garben aus tausend Farben ... Die Schönste,
die Schönste
pflückt Blumen.
(Robert Myriel)
8 Wunsch
Hätte an meine Schultern, die der Unglückslast müden, eine gute Fee Flügel genäht, wiegte ich mich doch nicht, wie Schmetterlinge belieben, in des Blütenkelchs Süße, von früh bis spät.
Vom Verlangen getrieben, vergäße ich Wald und Strauch, die Bäume, deren Nester am Wegrand winken,
das süße Zwitschern der Vögel, die Quelle auch,
wo die Kinder aus ihrer Handschale trinken
Ohne den Sonnenstrahl, der die goldene Morgenwiese benetzt, ohne den fröhlichen Rausch am weißen Lilienrund,
ohne den Fuß, der sich leicht auf die Rose, Rose setzt,
ohne die Mohnblume auch nähme ich endlich Schwung
Und eilte, blauer Kobold, zu dir, zu deiner Lippen Glut, mich an ihrer Fülle zu laben,
und flöge dann auf, nicht ohne von deinem Mund
den Atem getrunken, den Kuss gepflückt zu haben.
(Georges Vanor)
9 Madrigal
Deine süßen Küsse sind Vögel,
die sich flatternd auf meine Lippen senken und fiebriges Vergessen schenken.
Deine süßen Küsse sind Vögel,
leicht wie Schilf auch,
von weißfüßigen Schafen zerstampft. Deine süßen Küsse sind Vögel,
die sich auf meine Lippen senken.
Wie leichtfertige Vögel
mit Plapperschnäbeln und silbernen Flügeln kommen sie aus den Büschen,
zu singen auf meinen Lippen,
wie vom Goldschmied im Gehen
mit Zauberscheren versehen,
singen eure Küsse, süße Vögel, Liebeslieder auf meinen Lippen.
(Georges van Ormelingen)
10 Mein Herz singt
Mein Herz singt, es ist nah bei dir
und will vor Freude bersten,
ein Wort von dir lässt es erregt zerspringen.
Ein Wort von dir im Rausch ohnmächtig schwingen. Mein Herz singt, es ist nah bei dir!
Mein Herz blutet, ist es weit von dir.
Wenn das böse Schicksal uns trennt,
ist alles Trauer und Angst,
erscheint alles leer und fremd.
Mein Herz blutet, ist es weit von dir.
Mein Herz lebt, und das verdankt es dir.
Aus seinem Schmerz wächst sein Gedicht.
Ob Märtyrer, ob König hier,
ist es doch nie allein, es liebt.
Mein Herz lebt, mein Herz lebt, und das verdankt es dir.
(Charles Fuster)
11 Der Sommer
Ah! Singt, singt,
närrische Grasmücke,
lustige Lerche,
fröhlicher Fink,
liebt, singt!
Rosenduft,
Frische der Morgenluft,
lasst unsere Wälder im Duft erblühn! Ah! Singt, liebt.
Sonne, die den
von Bienenschwärmen summenden Feigenbaum vergoldet,
gieß die Freude aus,
dass alles ertrinke
in deinem strahlenden Licht
Ah! Singt, liebt.
Wind, der über
die Plätze weht
und die Hoffnung auf einen Sommertag sät, an dem dein Atem
für ein Mehr
an Glanz und Schönheit steht.
Ah! Singt, liebt.
Auf der Wiese,
ruhig und blütenbedeckt,
lauscht ihr den süßen Worten.
Die bezauberte Seele.
die liebende Gattin
preist den Himmel, nahe dem Gatten.
Ah! Singt, liebt. Fröhliche Finken! Lustige Lerchen, närrische Grasmücke, Ah! Singt!
(Edouard Guinand)
12 Madeleine
Wir gingen trinken an der Quelle, das Wasser klar wie ein Kristall, die Ebene überströmt von Sonne, die Schafe schliefen tief im Tal.
Sie pflückte blassen Majoran
zum Schmuck der jungfräulichen Brust, da kam Madeleine des Wegs heran, mein karges Mahl zu teilen.
Durchbricht der Mittag meinen Lauf, steig ich manchmal zur Quell' hinauf, sitz einsam, wo wir warn zu zwein.
Und um den Strom mit ihr zu mischen,
lässt der tiefe Schmerz inzwischen
dem Liebenden die Tränen rinnen. (
Edouard Guinand)
13 Naives Lied
Das kleine Lied, so trauervoll
die alte stille Weise,
macht mich ganz erinnerungstoll, ich summe mit, sehr leise.
Das kleine Lied, so zart,
dem unsere Liebe galt,
es ruft mir unsern Traum zurück, den schönen, wie er strahlt.
Das kleine Lied, so schwach,
die Stimme singt es nimmermehr, das Glück, es hat sich abgekehrt, hab' wohl nicht aufgepasst.
Das kleine Lied, so süß,
das mich zum Weinen bringt,
es murmelt sanft im tiefen Moos, im Wasser, Baum und Wind.
Das kleine Lied, so ernst,
schluchzt in der Abendluft,
ich saug den Schmerz in mich hinein wie süßen Fliederduft.
Das kleine Lied, so zitterig, verschwindet, wird vergehn ... Warum nicht beieinander sein,
um sich beizustehn!
(Pierre Reyniel)
14 Die Verlobte des Soldaten
Mein Liebster dient seinem Land, unterm Trommelschlag zog er fort und sagte noch: "Meine Jeanne, trockne die Tränen ab und dann wart', bis mein Dienst vorbei.
Er ging in die große Stadt
und schrieb mir Brief um Brief, traurig war ich, aber gefasst und wartete auf den Tag,
an dem er zurückkommen tät.
Lon lon la, singt mein Schmerz
im Wald und über die Felder hin, aber die Amseln, fröhlich und sacht, Plappern am hellen Wasserrand,
Lon lon la, singt mein Schmerz, während die Sonne am Himmel lacht.
Ah! Ich verfluche das Dorf, das Land, die Heuernte und die Arbeit im Feld. Lieber wäre ich wieder am Strand, wo ich vergeblich all die Tage
auf Nachricht meines Liebsten gewartet habe.
Ach, wenn er sein Leben ausgehaucht, schweig meine Stimme hinfort,
dann will ich nämlich begraben sein am Rand des kleinen Waldes dort,
wo oft ich ihn umarmt.
Lon lon la, singt mein Schmerz
im Wald und über die Felder hin, aber die Amseln, fröhlich und sacht, plappern am hellen Wasserrand,
Lon lon la, singt mein Schmerz, während die Sonne am Himmel lacht.
(Charles Grandmougin)
15 Rollen der Dünung
Rollen der Dünung, Echos der Wälder, wiegt meine Träume wie früher
mit euren Wellen,
mit eurem Gesang
so süß, so fern
vom Wogen der Felder.
Später Glockenschlag, der sagt: Geh!
Lied und Klag'
wie ein Adieu Betörendes Liederfest, das uns Weinen
und Lachen
und flüchtig berühren lässt.
Zarter Beginn, reiner Klang,
jeder singt
süßen Gesang. Wortlose Luft,
der Zeichen voll deines Symbols, das Sinn mir bringt.
Gedicht voller Leben,
das man mit dem Herzen kennt, was sind deine Themen: Freude, Schmerz, der brennt? Strenges Klaglied, Freudenhymne?
Erdentränen,
des Himmels Sang?
Rollen der Dünung, Echos der Wälder, wiegt meine Träume wie einst,
mit euren Wellen, mit eurem Klang, wiegt meine Träume wie einst.
(Cécile D'Ottenfels)
16 Der schöne Sänger
Mein Freund, mein schöner Freund, er rührt durch seine Lieder,
ob fröhlich leicht, ob provokant, raubte er mancher den Verstand. Mein Freund, mein schöner Freund er rührt durch seine Lieder
Mein Freund, mein schöner Freund, beherzt sind seine Lieder,
das Meer, sonst groß und so wild, legt sich besänftig nieder.
Mein Freund, mein schöner Freund,
beherzt sind seine Lieder.
Mein Freund, mein schöner Freund, so zart ist der Gesang,
den er seiner Blonden bringt,
bis alles eingeschlummert scheint. Mein Freund, mein schöner Freund, so zart ist sein Gesang.
Mein Freund, mein schöner Freund, er singt nie wieder,
mein Herz ist schreckensstarr.
Der Feind streckte ihn nieder.
Mein Freund, mein schöner Freund, er singt nie wieder.
(Robert Myriel)
17 Wiegenlied
Komm her zu mir,
komm näher noch,
mein Herz, es ruft nach dir: Mein Kind, ich lieb dich doch.
Draußen weht eisiger Wind,
der nun an des Winters Grenze
die Natur in ihrer Gänze
ihres Schmucks berauben will. Ah!
Komm her zu mir...
Die Welt kämpft voller Wut
um die Rasseln ihres Wahns,
eh' der Mensch, gebeugt von Gram, seinen Glückstraum träumen kann. Ah!
Komm her zu mir...
(Edouard Guinand)
18 Zukunft
Wenn er dem Frühling entwachsen ist,
mein Gott, wie wird mein Kind sein?
Fern dem Dorf, der stillen Küste,
in der Stadt, für die er mich verlassen musste, wenn die Zeit da ist für ihn,
in die Lebensschlacht zu ziehn
ohne mich, allein!
Wenn er dem Frühling entwachsen ist...
Wenn der Sommer ihn groß werden ließ, mein Gott, wie wird mein Kind sein?
Rasch dämpft die Zeit sein zärtliches Lieben, rasch wird dann ohne Frage,
sein Kinderschmusen versiegen!
Der Reichtum dieser Tage -
wo ist er bloß geblieben?
Wenn der Sommer ihn groß werden ließ...
Wenn er etwas gilt in der Welt,
mein Gott, wie wird mein Kind sein? Wenn das Unglück ihn nicht getroffen, wenn helle Freude sein Lieben lenkt, zittert mein Herz voller Hoffen,
dass ein bisschen er auch
seiner Mutter gedenkt.
Wenn er etwas gilt in der Welt...
(Charles de Bussy)
19 Einst!
Alt ist sie und voller Falten,
ohne Feuer ist der Blick,
vom Kopf, dem beinah schon kalten, wehet weißes Haar zurück.
Groß, kaum mehr als eine Elle, gebeugt der Gang, dass Gott erbarm, im Ärmel ihres Faltenkleids schlottert ihr Knochenarm.
Und ich, die ich sie so hässlich seh'
der Rücken krumm, der Hals ganz steif, die Glieder lahm, der Stimme bar -,
ich sage mir:
Was? Diese hier?
Die, scheint mir, so schön einst war, so schön und so geliebt...einst war!
(Edouard Guinand)
20 HöchsterWunsch
Oh! schlafen, schlafen lange Zeit, dem Morgen eingeschrieben,
und träumen, dass es Frühling sei und wir uns wieder lieben;
dass wir erneut im Hause sind, wo ich dich zuerst sah,
und unsere schöne Liebesstund' ist endlich wieder da;
dass wir alleine sind, zu zweit, voll Frieden, voll Vertrauen, fern der kühnen Schicksalszeit, und mehr noch auf uns bauen;
dass der Sommer, heiß und süß, mit unsrer Freud' sich misst ...
Oh! Schlafen, damit ganz gewiss mein Herz wieder lebendig ist.
Oh, schlafen, schlafen lange Zeit, dem Morgen eingeschrieben,
und träumern, dass es Frühling sei und wir uns wieder lieben.
(Pierre Reyniel)
21 Unendlichkeit
Vom selben Traum gebannt,
und müd' vom Lärm des Lebens, gingen wir übern dunklen Strand, der Nacht, dem Schmerz ergeben.
Das Herz betrübt, die Hände heiß, die Worte kauen Bitterkeit,
die Wellen rollen schwer heran, wir hörn des Meers Unendlichkeit.
Der Wind, der in den Zweigen weint, wir stehen Seit' an Seite,
die weißen Sterne, die derweil melden des Himmels Weite.
Die Augen dein im Schatten drein, der Liebe Sieg zu finden,
die großen warmen Augen dein von Herzensgröße künden.
Und all die Wellen, all der Wahn,
die Stern' in Himmelsbläue schwingen,
nicht messbar sind das Meer, die Lieb', Unendlichkeit, oh HERR, wolln wir besingen.
(Charles Fuster)
22 Portrait
Ihr Name ist wie Honig süß
ihr Haar vom Blond der Feen,
ihr Aug‘ aus Himmelblau gemacht Wirklichkeit? Traum? Hab‘ ich sie je gesehn?
Der süßen Lilie ist sie gleich,
von der sie Anmut und Trauer nimmt. Ich frage: Kennt ihr sie vielleicht
die mich zum Wahnsinn bringt?
Ihr Name ist wie Honig süß... Der süßen Lilie gleicht sie...
Ihre Stimme von Blütenhonigklang, unwirklich fast und tief.
Und ich? Ich trinke all den Schmerz
der blonden Sirenenstimme, die mich rief.
Ihr Blick – er streift mich oft,
doch ohne mich zu sehen,
sie geht vorbei, mein Herz, das hofft,
folgt ihrer Spur, der Bitten voll, voll Flehen.
(Pierre Reyniel)
Deutsche Übersetzung: Gert Loschütz